PostHeaderIcon DER HERMOKOPIDENFREVEL

Ein seltsamer Vorfall, der sich in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 415 v. Chr. ereignete:  Mitten in der Nacht wurden in der ganzen Stadt Athen fast allen Hermen die Nasen und Ohren abgeschlagen, eine Freveltat, die nicht ungesühnt bleiben konnte. Schließlich galten jene HERMEN als Kultbilder des Gottes Hermes und wiesen schon recht früh einen Bezug zur Fruchtbarkeit auf.  Sie glichen Marmorpfeilern, bestanden aus einen viereckigen Schaft mit aufgesetztem Kopf und Schultern und männlichem Glied. Man konnte sie an allen Wegkreuzungen sehen .

Als die Bürger Athens am 11. Mai erwachten und den Frevel der verstümmelten Hermen bemerkten, waren sie außer sich vor Empörung. Das konnte nur ein böses Omen bedeuten, und gerade jetzt waren sie doch angewiesen auf den Schutz der Götter. Eine militärische Expedition nach Sizilien  stand unmittelbar bevor, und Alkibiades, ihr Anführer geriet bald in Verdacht, der Anstifter dieser frevelhaften Tat zu sein. Nun beschuldigte ihn  zwar niemand direkt, aber zuzutrauen war ihm dieser üble Scherz durchaus.

Alkibiades entstammte einer vornehmen Familie, war durch seine Mutter sogar mit Perikles verwandt, gescheit und gebildet. Seine Zeitgenossen rühmen seinen außerordentlichen Charme und seine auffallende Schönheit. Alkibiades wusste um seine Wirkung auf  Männer wie auf Frauen und setzte sie zu seinem Vorteil auch ein. Gleichzeitig kümmerte es ihn nicht, was die Athener von ihm hielten. Sein ausschweifender Lebenswandel war in aller Munde. Ganze Nächte schlug er sich um die Ohren mit Wein, Weib und Gesang. Seine Frau ertrug seine Untreue schließlich nicht mehr, reichte die Scheidungsklage ein, aber am festgesetzten Termin kam Alkibiades, nahm sie in seine Arme und trug sie nach Hause.Von da an ließ sie ihn gewähren und starb später an gebrochenem Herzen.  Seine Streiche und Possen faszinierten eher als dass sie Anstoß erregten, er war eben ein Liebling der Götter. So ließ der ehrgeizige junge Adelsspross   die harten Ruderbänke seiner Schiffe durch weiche Matratzen ersetzen, nur um aufzufallen.

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Eines Tages  – auf die Aufforderung seiner Kumpane hin – schlug er dem reichsten Mann Athens, Hipponikos,  in aller Öffentlichkeit mitten ins Gesicht. Am nächsten Tag kam er in dessen Haus, entblößte sich, und bat Hipponikos, ihn zur Strafe auszupeitschen. Der alte Mann war so gerührt, dass er Alkibiades zu seinem Schwiegersohn machte. Die Hälfte der Mitgift, die er bekam, gab Alkibiades  gleich für sich selbst aus. Er lebte in einem Luxus, den Athen bis dahin nicht kannte. Einmal gewannen seine Pferde bei den Wagenrennen der Olympischen Spiele, worauf er die ganze Volksversammlung bewirtete. Er rüstete Trieren aus, finanzierte Chöre, beteiligte sich an den Kriegskosten der Stadt. Er trug die neueste Mode, die von der athenischen Jugend sogleich nachgeahmt wurde. Selbst die Tatsache, dass er ein wenig lispelte, störte niemanden, im Gegenteil, auch das äfften manche Mitglieder der „Jeunesse doree“ nach.

So etwas konnte sich nur Alkibiades erlauben. Er verletzte –zig Gesetze und beleidigte zahlreiche Bürger Athens, aber niemand wagte, ihn vor Gericht zu bringen. Unsterblich ist er jedoch durch Platon geworden, der ihn in seinem Dialog „Symposion“ als Gast auftreten lässt. Dort redet Alkibiades  ausschließlich von seiner Liebe zu Sokrates, der dieses Gefühl  nicht zu erwidern scheint.

„………Sokrates aber habe sich zu Agathon gewandt: Sieh doch zu, lieber Agathon, ob du mir nicht diesen Menschen vom Leibe halten kannst; so viel Not macht mir seine Liebe! Denn von der Zeit ab, seit welcher ich ihn zu lieben begann, darf ich keinen einzigen schönen Mann mehr ansehen, geschweige denn mit ihm sprechen, oder aber der da begehrt aus Neid und Eifersucht die wunderlichsten Dinge und schilt mich und hält sich kaum von Handgreiflichkeiten zurück. Siehe du also zu, dass er nicht auch jetzt wieder so etwas unternimmt,sondern versöhne uns,…..denn ich habe die größte Angst vor der Raserei, in welche ihn seine Anhänglichkeit zu mir versetzt. Nein, habe Alkibiades gesagt, zwischen mir und dir gibt es keine Versöhnung. Doch ich will hierfür dich später bestrafen; jetzt aber, Agathon, – mit diesen Worten habe er sich zu dem letzteren gewandt – gib mir einige von deinen Bändern zurück, damit wir auch dieses Mannes wunderbares Haupt bekränzen und er nicht mich tadeln könne, dass ich dich bekränzt, ihn aber, der mit seiner Rede Gewalt allen Menschen, und nicht bloß gestern, wie du, sondern immerdar, obsiegt, hinterher unbekränzt gelassen habe! Und zugleich habe er einige von den Bändern genommen, mit ihnen den Sokrates bekränzt und dann sich wieder niedergelassen………………………………..“ (Platon, Symposion)

Als Zwanzigjähriger hatte Alkibiades in der Schlacht von Potideia an der Seite des Sokrates gekämpft, und seinem Charme schien  der Philosoph damals keinen Widerstand entgegengesetzt zu  haben. Nach Plutarch hat Sokrates sogar eine herrliche  Zuneigung für den jungen Alkibiades empfunden, diese aber erkaltete mit der Zeit.

Nach dem Tod seines Onkels Perikles stillte Alkibiades seinen maßlosen Ehrgeiz in der Politik. Der einzige ernstzunehmende  Rivale auf der Bühne der Politik war der fromme Nikias, der den Frieden predigte.

Der wortgewaltige Alkibiades hingegen vertrat einen Imperialismus, der die athenische Volksversammlung bei ihrem Stolz packte.

420 wurde er einer der 10 Strategen und begann Pläne zu schmieden, die Athen in den Krieg stürzten, in das „Sizilianische Abenteuer“. Die Volksversammlung jubelte ihm zu, der Menschenfeind Timon soll dabei gelächelt haben.

Aber noch waren die Täter  des Hermenfrevels nicht gefunden.

Alkibiades drängte auf eine sofortige Untersuchung: zu diesem Zeitpunkt stand er im Zenit der Gunst des Volkes: jede Untersuchung hätte ihn als Unschuldigen entlassen.

Aber gerade deshalb setzten es seine Gegner durch, dass der Prozess bis zu seiner Rückkehr verschoben wurde.

Das „Sizilianische Abenteuer“ wurde zu einem Desaster. Der Ruhm und die Beliebtheit des Alkibiades sank auf einen Tiefpunkt.

Inzwischen waren in Athen auf Anzeigen hin einige Bürger bereits hingerichtet worden, die Menge  – aufgehetzt – verlangte die sofortige Rückkehr des unglücklichen Strategen. Alkibiades wich der Strafe durch Flucht aus und suchte beim Erzfeind Athens , in Sparta , um Asyl an.

In Abwesenheit wurde er zum Tode verurteilt, seine Güter eingezogen.

Seine Schuld wurde nie erwiesen.

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Spruch des Monats

Ama, et fac, quod vis.
(Liebe, dann tu, was du willst)

Hl. Augustinus

Ereignis des Monats
11. Mai 415 v. Chr: der Hermakopidenfrevel erschüttert das antike Athen