Wie wird aus einer verfolgten Minderheit eine verfolgende Staatskirche, oder wie wird man intolerant ??
( männliche Gestalt( =Heidentum) wird von Frau (=Kirche) gebändigt , zu sehen in Millstatt)
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„ In Alexandria lebte eine Frau mit Namen Hypatia, die eine Tochter des Philosophen Theon war. Sie verfügte über eine so herausragende Bildung, dass sie sämtliche Philosophen ihrer Zeit ausstach. Ihre Lehrtätigkeit brachte sie an die Spitze der platonischen Schule……Den Behörden gegenüber trat sie freimütig und mit Selbstbewusstsein auf. Wegen ihrer außergewöhnlichen Intelligenz begegnete ihr jeder mit Ehrfurcht und Bewunderung. Diese Frau nun wurde das Opfer von gewissen Machenschaften. Weil sie nämlich häufiger mit Orestes, dem kaiserlichen Statthalter, zusammen traf, ging in der christlichen Bevölkerung das verleumderische Gerücht um, Hypatia sei es, die Orestes daran hindere mit dem Bischof der Stadt freundschaftliche Beziehungen zu pflegen. So verschworen sich verschiedene Hitzköpfe unter Führung des kirchlichen Vorlesers Petrus miteinander und überfielen die Frau hinterrücks, schleiften sie gewaltsam in eine Kirche. Dort zogen sie ihr die Kleider aus und zerfleischten ihren Leib mit Scherben, Glied um Glied rissen sie die Frau in Stücke… Diese Tat trug der Kirche von Alexandrien große Schande ein.“
So lesen wir in der Kirchengeschichte des Socrates Scholasticus, eines Zeitgenossen der berühmten Philosophin Hypatia.
Noch heute – in einer Zeit, die an Grausamkeiten nicht arm ist, sticht die Ermordung der Hypatia als besonders abscheulich heraus. Die Täter bleiben im Dunkeln, aber es ist anzunehmen, dass es Auftragsmörder gewesen sind. Die Spur führt zum Bischof der Stadt.
Manch ein Gelehrter sieht in dieser Ermordung einen Wendepunkt in der Geschichte der Philosophie: die christliche hatte die griechische erfolgreich bekämpft; immer wieder kommt es in der Folgezeit zur Verfolgung neuplatonischer Philosophen.
114 Jahre später wird die platonische Akademie endgültig geschlossen.
Ein Historiker aus Oxford nannte dies einmal sehr pointiert das „Ende des Denkens“. Zahlreiche Philosophen verließen das Imperium und zogen nach Osten, nach Bagdad, das so zu einem wichtigen geistigen Zentrum des Hochmittelalters wurde. Es gab nur noch eine Denkweise, die Lehre der Kirche. Der Absolutheitsanspruch, die einzige Wahrheit zu verkünden, führte dazu.
Wie war es dazu gekommen? Wie konnten im Namen des Wanderpredigers von Nazaret, der die Liebe verkündete, solche Untaten geschehen ?
Die Frage ist schwer zu beantworten, waren es doch christliche Theologen, die im 2. Jhdt von der „libertas religionis“ der Religionsfreiheit sprachen, waren es Kirchenlehrer wie Laktanz und Tertullian, die immer wieder von den anderen Toleranz einforderten.
Das Christentum hatte sich seit dem 3. Jhdt sehr rasch ausgebreitet, aber die Schlüsselfigur für die Verbreitung bleibt Konstantin der Große. Er fühlte sich dem Toleranzedikt des Kaiser Galerius verpflichtet und bestätigte im Edikt von Mailand 313 die freie Ausübung der neuen Religion. Er förderte die junge Kirche , wo immer er konnte, ließ sich sogar auf dem Totenbett taufen, aber ob man soweit gehen kann, zu behaupten, das Christentum wäre ohne Konstantin eine avantgardistische Sekte ohne Breitenwirkung geblieben , wage ich zu bezweifeln. Tatsache aber ist, dass die Entstehung des Imperium christianum ohne den Sieg Konstantins an der Milvischen Brücke sicherlich nicht so rasch erfolgt wäre.
Seit Kaiser Theodosius, der 380 erklärte, dass nur der auf dem Konzil von Nicaea gelehrte Glaube ( also der katholische), der einzig wahre sei, geriet das Christentum immer mehr in die Rolle der Täter. Christen zerstörten Tempel, es kam zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Bekanntestes Beispiel ist die Zerstörung des Serapeions unter Bischof Theophylus in Ägypten. Andersgläubigen blies von nun an ein kalter Wind entgegen. Ein späteres Edikt verbot sogar die bloße Diskussion religiöser Fragen.
Am 24. Februar 391 untersagte Theodosius schließlich jegliche Form heidnischer Kultausübung. Damit war das Christentum endgültig Staatsreligion geworden. Die Geburtsstunde des Imperium christianum hatte geschlagen.
Allerdings darf nicht unerwähnt bleiben, dass es kaum möglich war, den privaten heidnischen Kult so schnell zu unterdrücken.
Der spätantike Staat war dezentralisiert, die Verantwortung lag bei den Kommunen, die von lokalen Eliten geführt wurden, die großenteils noch heidnisch waren, und sich der Ausführung der Edikte oft widersetzten. Der dramatischste Fall ereignete sich 399 in einer kleinen Stadt in Tunesien, in Sufis, wo Christen die Edikte umsetzen wollten, indem sie die Statue des Herkules angriffen. Es kam zu einem Aufstand der nichtchristlichen Bevölkerung der Stadt – organisiert von der Gemeindeverwaltung: Fazit: 60 Christen starben.
Konstantin der Große Author: Fingalo ( Christian Bickel. )
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Nach 392 werden die „Heiden“ immer mehr zur Minderheit. Die eigentlichen Feinde findet man nun in den eigenen Reihen: Es sind Christen, die den Text der Hl. Schrift anders interpretieren, die nun zu den Verfolgten werden: die HÄRETIKER (Irrlehrer).
Die Gegenmittel blieben vorerst stumm, denn , wann immer man versucht, den „wahren und einzigen“ Glauben von oben her durchzusetzen und so genau wie möglich zu definieren, erzeugt man Häresie. Glaube bleibt schließlich eine Angelegenheit des Herzens, der nicht dekretiert werden kann. Hatte man zuvor Irrlehrer nur aus der Gemeinschaft und den Sakramenten ausgeschlossen, erwartete sie jetzt oft Verfolgung und Tod.
Der römische Staat war sich durchaus der Bedeutung der Religion für den Zusammenhalt des Staates bewusst. Der Kaiserkult der Antike, den die frühen Christen ablehnten, als ihre Haltung gegenüber dem Staat noch von Misstrauen getragen war, diente der Festigung der staatlichen Macht. Jetzt im 4. Jhdt hatten sich nur die Vorzeichen geändert: in der Sache blieb es dasselbe. Religion und Politik vermischten sich, ja Religion wurde sogar zum ideologischen „Klebstoff“. Jene, die nicht der neuen Mehrheitsreligion, dem Christentum angehörten, gerieten in den Verdacht, gegenüber der Obrigkeit, dem Kaiser illoyal zu sein, und damit zu einer Gefahr für den Erhalt des Staates zu werden.
Die Kirche war ein effektives Herrschaftsinstrument geworden, neben den römischen Legionen die einzige Organisation, die eine straff geführte Hierarchie aufwies. So banden die Kaiser den christlichen Klerus in ihren Herrschafts- und Verwaltungsapparat ein. Die anfänglich soziale Isolation – als das Christentum noch nicht Staatsreligion war – verhinderte, dass sie sich mit den hergebrachten Eliten verbündete und die Kirche wurde so zu einer loyalen Kraft im Staat.
Die Kirche hatte der Versuchung nicht widerstehen können, und hatte sich auf die Seite der Mächtigen gestellt. Religiöse Intoleranz war zum Charakteristikum des Imperium Romanum geworden.